Die Weiterfahrt weg von der Pazifikküste führt durch endlose und grüne Weintäler. Langsam sind immer mehr Palmen und prächtige, blühende Gärten mit leuchtenden Bougainvilleas zu sehen. Seit wir losgefahren sind, knattert es auf unserem Autodach – was das wohl ist?
Die Campingplätze am Lago Rapel ähneln zurzeit noch Baustellen, und da wir dringend WiFi wollen, gehen wir halt im kleinen Dorf „El Manzano“ ins Hotel „El Maiten“. Die Zimmerpreise betragen höchstens gleich viel – mit garantiert warmer Dusche – wie ein Campingplatz. Da hier der Platz für max. 5 Personen bezahlt wird, lohnt sich das Campieren also für 2 Personen eigentlich nicht. Unser Hotel besteht übrigens aus 8 Häuschen mit grünen und roten Lämpchen… jedenfalls haben wir sehr gut geschlafen, die Besitzer sind zu uns sehr nett und der Rest ist uns völlig egal. Auf dem Hotelparkplatz findet Beat heraus, was da vermutlich so Krach macht: Ein Alu-Winkel unter dem Solarpaneel ist komplett gebrochen, das dürfte eigentlich nicht sein! Er verklebt das Ganze mit unserer Wunderpaste – mal schauen…
Auf der Weiterfahrt (es knatter immer noch) möchten wir uns eigentlich das hoch gepriesene Viña del Mar anschauen, aber es regnet dermassen, dass die Stadt quasi unter Wasser steht und nur Regenschirme zu sehen sind. Wieder mal Flucht nach Norden! Es regnet weiterhin gnadenlos und unaufhörlich, und wir haben seit unserem Reisestart noch nie so viele schwere Unfälle gesehen, wie auf dieser Strecke!
In La Cruz haben wir die Nase voll vom Fahren in Wasser und Gischt und finden im Hotel Capri eine sehr günstige Unterkunft. Überall – aber nicht in unserem Zimmer – stehen riesige Eimer, um das durch die Dächer tropfende Wasser aufzufangen. Das Ganze schlägt langsam aufs Gemüt!
Weiter nördlich in der Feriensiedlung „Los Molles“ gibt’s einen wunderschönen Campingplatz direkt am Pazifik (mit einer extrem knackigen Zufahrt: Auf dem Pannenstreifen an der Panamericana in entgegengesetzter Richtung). Es ist noch immer bewölkt aber wenigstens trocken, und wir haben einen der schönsten Plätze ganz vorne am Meer zugewiesen bekommen!
Hier lernen wir Anne und Mike aus Berlin kennen. Endlich mal wieder witzeln und den Mund fransig reden, das hat riesig Spass gemacht! Am Morgen des 21. Dezember 2012 und Tag des Weltuntergangs haben wir erstmals seit langer Zeit mal wolkenlosen Himmel und Temperaturen über 25C°! Im Dorf geniessen wir in Restaurant „El Pirata Suizo“ ein herrliches Fisch-Essen (warum das Restaurant so heisst, können wir leider nicht ausfindig machen) und nachmittags legen wir erstmals unsere Badetücher an den warmen Sandstrand. Ehe wir weiterreisen, trennen wir uns wirklich etwas schweren Herzens von Anne und Mike.
Ab jetzt wird die Küstenlandschaft immer wüstenhafter und es gibt kaum noch Bäume. 188km weiter quartieren wir uns für zwei Tage auf dem komfortablen und günstigen Campingplatz bei den Thermas Socos ein. Hier gibt’s einen Swimming-Pool mit Thermalwasser, ein unbeschreibliches Gefühl! Und hier finden wir auch endlich raus, was da so nervig knattert: Eine Gummiabdichtung beim Notdurchschlupf hat sich gelöst – das wars dann auch schon!
Über Weihnachten wollen wir endlich mal wieder in Ruhe online sein und erfolgreich mit unseren Lieben zuhause skypen. Wir leisten uns zu diesem Zweck das Hotel Plaza Turismo in Ovalle (Plaza hört sich immer gut an!). Im Hotel ist die Küche am 24.12. geschlossen und wir finden nur noch ein einziges geöffnetes Restaurant. Während wir ganz passabel essen, wird rundum munter geputzt und aufgeräumt:)) Die Weihnachtsdekoration in der Stadt beschränkt sich eigentlich auf die Plaza, und diese ist extrem amerikanisch-bunt geprägt. Immerhin wird ein Krippenspiel aufgeführt, da fehlen weder römische Legionäre hoch zu Ross und mit Kampfwagen noch eigens engagierte Schauspieler. Alles etwas schrill, chaotisch und exotisch, uns gefällt‘s. Wir sind zur geistreichen Einsicht gelangt, dass Palmen eh besser zur Weihnachtsgeschichte passen als Schnee:)
Am 25. sitzen wir nachmittags ganz gemütlich bei einem Apéro, als plötzlich ein ohrenbetäubender, heulender Alarm (hört sich an, wie bei uns diese Probealarme) losgeht. In Chile lebt man zwar mit Vulkanausbrüchen und Erdbeben, solange die Einheimischen aber weiter an ihren Bieren nuckeln, bleiben wir auch sitzen. Es ist ja „bloss“ der Feuerwehralarm! In der engen Strasse muss das Feuerwehrfahrzeug zweimal ansetzen, um rausfahren zu können, und die Männer setzen sich nicht wirklich eilig in den Wagen, nachdem dieser endlich draussen steht. Erst beim Losfahren ertönt dann die obligate, gehörschädigende Sirene. Was immer da brennt – Tschüss!
Nun lockt uns das nur rund 30km entfernte Valle del Encanto mit seinem alles begrünenden Mikroklima. Vor 4‘000 Jahren haben Indianer Petroglyphen und Malereien auf den Felsen hinterlassen, welche wir nun stundenlang erkunden dürfen. Der Campingplatz mit Plumpsklo liegt mitten in dieser Wildnis und ist beinahe gratis (Fr. 2.00).
In der Gegend um La Serena gibt es einige Observatorien und wir haben uns „La Silla“ für einen Abstecher und eine Übernachtung in der Nähe ausgesucht. Leider stehen wir nach übelster Wellblechpiste vor einem verschlossenen Tor. Zugang wird nur auf vorherige Anmeldung und nur an Samstagen gewährt. Sehr ärgerlich aber nicht zu ändern! Also weiter nordwärts bis Huasco an der Küste. Leider finden wir auch hier keinen Platz zum Schlafen. Aber ein paar km landeinwärts gibt’s was: In Las Tablas (Freirina) existiert ein kleines Paradies mit mehreren Pools und hier dürfen wir auch mit dem Auto stehen (S28 30.294 W71 07.622)!
Auf den Nationalpark „Pan de Azúcar“ (Zuckerbrot) haben wir uns schon lange gefreut und dorthin führt uns auch endlich die Reise am folgenden Tag. Der Park ist eine tolle, durch verschiedene Mineralien geprägte farbenprächtige Wüstenlandschaft mit einer eindrücklichen Felsenküste. Bei unserer Ankunft verdüstert der Küstennebel – erzeugt durch die Kombination des kalten Humboldt-Stromes und der warmen Luft – den Himmel. Aber am nächsten Tag sind Sonne und Wind aber stärker. Stundenlang wandern wir durch verschiedene Quebradas und erklimmen einen Mirador. Man muss schon genau hinschauen, denn es sind unglaublich viele teilweise blühende Kakteen und verschiedene kleine Blumen zu sehen.
Der Eco-Campingplatz ist neu und entsprechend sauber – welch eine Wohltat!
Am 30. Dezember fahren wir weiter nach Taltal und Paposo. Leider ist hier Campieren überall nicht erwünscht und an der windigen Felsenküste möchten wir nicht alleine stehen. Kurzerhand beschliessen wir, noch heute nach Antofagasta zu reisen. Auf dem Weg von der Küste ins Gebirge macht unser Land Rover plötzlich schlapp, Beat kann bergauf nur noch mit max. 20kmh im 2. Gang fahren. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in den Steigungen mit Warnblinkern nach ganz rechts auszuweichen. Das Auto hat einfach keine Power mehr und es geht unaufhörlich bergauf – von Null bis 2‘150müM! Endlich und sehr spät in Antofagasta angekommen (gottlob ging’s ja auch mal wieder runter), suchen wir uns erst mal eine Bleibe für die Nacht. Der schmutzige Campingplatz im Süden ist beileibe nicht erwähnenswert! Beat schaut sich das Defender-Handbuch an und stellt fest, dass das Problem wohl an der Luftzufuhr liegen muss…
An Silvester suchen wir erst mal das Hotel Radisson auf, wo wir für zwei Nächte gebucht haben. Hier kriegen wir auch sofort Unterstützung, damit wir am heutigen Tag überhaupt noch einen Mechaniker finden. Erstmals haben wir hier auch eine Verkaufsstelle für unsere Goodrich All Terrain-Reifen entdeckt (nicht, dass wir diese brauchen – nur zur Info!). Leider gibt es in ganz Antofagasta keinen passenden Luftfilter zu kaufen, also lassen wir unseren eigenen Ersatzfilter einbauen. Das Problem sollte somit bereits behoben sein und wir können uns über unser grosses Zimmer mit Meersicht im 6. Stock so richtig freuen. Die ersten Stunden skypen wir wie wild mit unseren Lieben zuhause (Riesenfete im Doorzögli – wir wären gerne dabei!) und in Toronto und wünschen allen UN FELIZ Y PRÓSPERO AÑO NUEVO!
Für den Abend ergattern wir uns noch einen Tisch im Hotel und dinieren so, wie es sich für einen Silvesterabend gehört. Kurz vor Mitternacht laufen wir zu einem Strandabschnitt, an dem sich halb Antofagasta mit Champagner jeweils zuprostet. Ein riesiges Feuerwerk, viele beinahe schon fasnächtlich gekleidete, fröhliche Menschen, Lagerfeuer am Strand – und wir fühlen uns mittendrin pudelwohl. Überrascht hat uns dann das äusserst gesittete Ende: Alle steigen ruhig in ihre Autos und Abfälle werden brav entsorgt. Wo immer eine Party steigen soll, hier ist es bestimmt nicht! Aber der Tag mit seinen Stunden in der Garage fordert langsam seinen Tribut und so spazieren wir gemütlich zum Hotel zurück. Per Skype erwischen wir noch Irene und André, die derzeit in Südafrika unterwegs sind – das ist ein Riesen-Aufsteller! Das Jahr 2013 hat für uns nicht spektakulär, dafür aber ruhig und gediegen-gemütlich begonnen.
Zugabe: Die Panamericana in Chile
Die Panamericana ist zwar bis La Serena eine Maut-pflichtige Autobahn, aber… da gibt es Bushaltestellen und entsprechend auch querende Fussgänger
…oder wild winkende Empanada- und Brot-Verkäufer entlang der Strecke
…oder Radfahrer
…oder Kühe, Eselsgespanne, Hühner, Restaurants mit haarsträubenden Ausfahrten…
Für uns Schweizer erstaunliche Dinge! Aber offensichtlich passiert kaum mal was, und es ist doch schön, dass hier nicht alles durch tausend Gesetze, Verbote und Gebote „reguliert“ ist. Schon das Befahren der Panamericana verleiht uns das Gefühl von Abenteuer und Freiheit!