Der Ruhetag hat uns beiden gutgetan, wenn auch nicht alles zu 100% wieder hergestellt ist. Jedenfalls wollen wir nicht noch mehr Zeit tatenlos vorübergehen lassen und unternehmen einen Abstecher zum Nationalpark Tierra del Fuego. Die Landschaft mit Flussauen und Mooren ist fast mythisch, das Wetter ist geduldig mit uns und die hellgrünen Südbuchenwälder haben ihren ganz eigenen Reiz. Nur – es ist wieder mal Samstag! – füllt sich der Campingplatz am Lago Roca mehr und mehr mit Wochenend-Gästen aus Ushuaia, die hier bis in die frühen Morgenstunden grillieren und Party feiern. Erst werden sie von den Parkaufsehern noch weggewiesen, welche jedoch bald einmal aufgeben und die „Gäste“ nehmen bei Dunkelheit richtiggehend Waldstück um Waldstück heimlich für sich ein, um die Campinggebühr zu umgehen. Wir sind sehr müde, immer noch etwas fiebrig und hören den Lärm bald mal nicht mehr. Am nächsten Morgen sind wir sehr erstaunt ob der der vielen neuen Nachbarn, die uns mit einem freudigen „Hola, buen‘ día“ begrüssen.
Es giesst in Strömen und ich bringe den gloriosen Vorschlag ein, mit den Tren del fin del mundo ein paar Stunden im Park rumzukurven. Als wir jedoch die Preisliste sehen, ist das Thema sekundenschnell Geschichte! Es geht mir noch nicht wirklich besser und so verbringen wir halt noch eine Nacht auf dem Camping Andino in Ushuaia.
Nächste und letzte „Station“ in Argentinien ist Rio Grande. Es wird zunehmend kälter und der Wind frischt immer mehr auf. Da wir endlich gesund werden wollen, finden wir im Hotel Huemul ein günstiges Zimmer für zwei Nächte. Es sieht zwar aus wie eine Baracke, innen stimmt jedoch alles einwandfrei. Ausserdem können wir beim Ford-Händler am Hafen sogar einen kleinen Service machen lassen: Diesel- und Luftfilter wechseln (beide Original Land Rover-Teile können wir gleich hier kaufen), Antriebswelle schmieren sowie Bremsen und Flüssigkeiten kontrollieren. Unser Chateau hat ein paar Streicheleinheiten wirklich verdient!
Am Mittwoch, 21. November 2012, verlassen wir Argentinien nun endgültig. Diesmal kostet uns der Grenzübertritt ein Pack Rohschinken, da eben ROH. Ein Rat an alle Traveler: Auf dem Deklarationsformular einfach angeben, dass man Esswaren dabei hat – vor allem im Zweifelsfall. So hat man ordnungsgemäss deklariert und zahlt keine Busse. Die Angaben darüber, was erlaubt ist oder eben nicht, ändern nämlich oft und nicht alle Grenzstationen haben die gleichen Ansichten darüber…
Bei 80khm Gegenwind (das kostet uns jedesmal etwa 2 lt Diesel auf 100km!), Regen und Graupelschauern fahren wir auf der geschotterten Y-71 – immer der Pazifikküste entlang – nach Porvenir. Der Wind vermag einen Stein vor dem Auto aufzuwirbeln und gegen das Auto zu schleudern…seither haben wir die erste Delle in der Frontscheibe – selbst verursacht! Nördlich entlang der Bahía Inútil finden wir endlich nach dem Torres del Paine viele der Feuerbüsche, welche für die Namensgebung der Tierra del Fuego mitverantwortlich sind. Porvenir hat keinen Campingplatz, da nehmen wir uns – der Wind ist inzwischen noch stärker und giftig kalt – in der Hostería Shinka ein Zimmer.
Porvenir ist ein hübsche kleine, verschlafene Hafenstadt, welche von kroatischen Goldsuchern anfangs des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Den Ort erkunden wir ziemlich schnell zu Fuss und für das Museum, welches einen guten Einblick in das Leben des Indianerstammes Selk’Nam gibt, sind 3 Stunden schon viel aufgewendete Zeit. Immer wieder flüchten wir vor einsetzendem Regen und Graupelschauern in warme Kneipen. Abwechslung bietet eine Rundfahrt zu den Lagunas de Cisnes, Verde, Serrano und Deseada. Auf einer geschotterten Strasse und bei besserem Wetter fahren wir immer wieder an kleinen Estancias und Schafweiden vorbei – ohne störende Zäune! Auch zu den Lagunen haben wir ungehinderten Zugang und können die wunderschöne Natur in vollen Zügen geniessen.
Am Sonntag, 25. November, verlassen wir die Tierra del Fuego: Per Fähre während 2,5 Stunden über die sehr stürmische Magellan-Strasse nach Punta Arenas. Hier haben wir im Hostal „Vientos de la Patagonia“ bereits online ein Zimmer bestellt. Da wir einen Tag zu früh dran sind (am Montag gibt’s keinen Fährbetrieb), dürfen wir auf dem Parkplatz des Hostals im Auto übernachten. Gut geschützt –denken wir…! Wir fragen nach einem Restaurant in der Nähe und statt einer Erklärung fährt uns der Besitzer gleich selber hin. Nachts zerren dann trotz ringsum hohen Mauern enorm starke Windböen am Hubdach, sodass wir morgens um 03.00h das Bett einen Stock tiefer legen und das Dach schliessen müssen. Morgens haben die Hostalbesitzer Erbarmen (die kurze Nacht hat ihre Spuren hinterlassen) und schenken uns ein richtig gutes Frühstück.
Punta Arenas kann ebenfalls mit einer Superlative aufwarten: Sie ist die südlichste Kontinentalstadt der Welt und zugleich eine der schönsten Städte Patagoniens! Sie verlor ihre Bedeutung kurzzeitig mit der Eröffnung des Panamakanals im Jahr 1914, denn bis dahin nahmen alle Schiffe die Route über die Magellan-Passage. Genau vor Punta Arenas treffen übrigens in der Magellan-Strasse der Atlantik und der Pazifik aufeinander, was auch die Ursache für das meist stürmische Wetter ist. Für uns ist das Zentrum bloss 10 Gehminuten vom Hostal entfernt und gottlob geizen die hier wirklich nicht mit Kneipen.
Für die Zona Franca mit Duty Free-Shops in der Nähe des Fährhafens lohnt sich die Autofahrt überhaupt nicht. Was sollen wir denn mit Parfums, Angelruten, Waffen, Weihnachtsartikeln oder Möbeln? Dafür ist der Cementerio (Friedhof) von Punta Arenas wirklich sehenswert, denn all die grossen Schaf- und Silberbarone Südpatagoniens sind hier in palastähnlichen Bauten begraben. Auffälig sind die vielen kroatischen, deutschen und auch schweizerischen Namen (Baeriswyl).
Am dritten Tag in Punta Arenas: Endlich Sicht auf blauen Himmel und etwas wärmere Luft. Höchste Zeit für eine Fahrt raus aus der Stadt! Immer südwärts der Magellan-Strasse entlang erreichen wir zuerst den Abzweiger zur Laguna Parrillar. Ein schöner See auf Höhe der Schneegrenze von 320 müM, welcher auch das Süsswasserreservoir von Punta Arenas ist inkl. einem sehr gepflegten Campingplatz mit wind- und regengeschützten Sitzplätzen – das stand leider in keinem Führer!
Wieder auf der Hauptstrasse gelangen wir noch weiter südlich zum Puerto del Hambre (Hungerhafen), wo 1594 rund 300 Spanier kläglich verhungert sind. Ein paar Ruinen und ein Gedenkstein erinnern noch an den gescheiterten Versuch, hier eine Kolonie zu gründen.
Die Strecke nach Puerto Natales führt erst durch endlose, flache Schaf- und Rinderweiden, später aber sind wunderschöne Märchenwälder zu sehen, wie sie nur hier im südlichen Patagonien vorkommen.
Diesmal fahren wir von der anderen Seite in das Städtchen und bemerken ein Campingplatz-Schild! Dank GPS finden wir die Adresse zügig, und da gibt es tatsächlich einen hübschen Grasplatz mit warmen Duschen, einem Restaurant und endlich mal anderen Reisenden (Bernd und Sabine), mit denen wir bis spät in die Nacht hinein am Feuer quatschen können – bei angenehmen Temperaturen!
Wir verbringen anderntags einige Stunden damit, den Putzlappen zu schwingen und aufzuräumen. Abends können wir endlich wieder mal ein wunderschön wärmendes Feuer – das Holz stammt noch aus San Pedro vom August! – machen und (mit ein wenig Zähne zusammenbeissen) grillieren und im Freien essen.
Nachts beginnt es dann sintflutartig zu regnen, und ausserdem lassen und erbärmlich jaulende Hunde sowie einige streitende Katzen partout nicht schlafen:) Für den letzten Tag vor der Schiffsreise haben wir im Casa Cecilia nochmals ein Zimmer reserviert, um in Ruhe ein paar Sachen packen zu können. In weiser Voraussicht, wie sich zeigt: Es regnet pausen- und erbarmungslos aus Kübeln während des gesamten Tages. Nun hoffen wir sehr, dass mit dem Einchecken morgen alles klappt und wir uns endlich nach Norden aufmachen können. Darüber mehr im nächsten Bericht…