An diesem wunderschönen und klaren Herbsttag haben wir für lange Zeit den Mount Robson vor Augen, den mit 3‘954m höchsten Gipfel der kanadischen Rocky Mountains. Die Provinzgrenze zu Alberta beschert uns kurze Zeit später wieder mal eine neue Zeitzone (+1 Stunde), und bald darauf erreichen wir den Ort Jasper auf 1‘060müM im gleichnamigen National Park. Es ist kurz vor Mittag und die Autos stehen am Eingang zum Whistlers Campground bereits Schlange. Das Labor Day Weekend steht vor der Tür, und ohne Reservierung würde man trotz der riesigen Kapazität von 781 Plätzen ganz schön dumm dastehen.
Ein kleiner Imbiss und los geht’s! Für den Tramway (Gondel) auf den Mount Whistlers müssten wir heute geschlagene 3 Stunden warten. Wir kaufen die Tickets für morgen und machen uns auf den Weg zu den Medicine und Maligne Lakes. Der Medicine Lake ist etwas ganz Besonderes! Er wird zwar vom Maligne River gespeist, das Wasser versickert jedoch in Karsthöhlen und lässt den See zeitweise vertrocknet aussehen. Wirklich wunderschön ist dann aber der Maligne Lake mit seinem glasklaren Wasser. Leider bleibt für die vielen Wanderstrecken heute nicht mehr genügend Zeit, also bewundern wir den See gebührend von seinem Nordende aus.
Auf dem Rückweg nach Jasper statten wir dem tief eingeschnittenen Maligne Canyon einen Besuch ab. Der Pfad führt in eine wilde Kalksteinschlucht mit mehreren Brücken und endet wenige Meter über dem im Engpass tosenden Maligne River. Toll ist das hier!
Der zweite Tag im Jasper ist erst mal Gondel-Tag. Oops – beinahe verschlafen! Gerade noch rechtzeitig schaffen wir’s zur (reservierten!) 10:36 Gondel und geniessen erst mal die Fahrt zur Bergstation auf 2‘277m. Von hier sind es bloss 1,5 km über 200 Höhenmeter bis zum Gipfel. Eine Aussicht der Superlative auf den Ort Jasper und die umliegenden Gipfel lohnen das bisschen Mühe allemal.
Aufgrund des Tipps eines Parkangestellten machen wir uns auf, die Schotterpiste ab Snaring River zum Snake Indian River zu befahren. Wir werden mit den allerschönsten Ausblicken auf Seen und Flüsse in der Umgebung belohnt. Die Piste ist dermassen eng und steil, dass man sich an ganz bestimmte Hin- und Abfahrtzeiten zu halten hat. Eine grandiose, landschaftlich einmalige und vor allem einsame Strecke!
Eine kleine Wanderung führt zum Mount Edith Cavell mit dem gleichnamigen Gletscher, welcher in kurzer Zeit 60% seines Volumens verloren hat. Der Gletschersee voller Eisschollen im Tal und immer wieder runterkrachende Eisbrocken vermitteln, wie lebendig alles ist. Kurzwanderwege sind hier doch tatsächlich gepflastert – das ist denn doch zu langweilig. Den Rückweg gestalten wir um und wandern querfeldein über Moränen rauf und runter bis fast zurück zum Wagen. Das war klasse! Die Athabasca Falls liegen auf der Strecke zurück nach Jasper. Dutzende von Reisebussen und babylonisches Sprachgewirr – für uns ein kleiner Kulturschock. So toll ist’s denn hier doch nicht – ein paar Fotos und nix wie weg!
Der Icefield Parkway ist ein weiterer Höhepunkt auf der Weiterfahrt nach Süden, ist er doch eine der schönsten Gebirgsstrecken in ganz Kanada. Die Sicht auf unzählige Gletscher und Eisfelder ist wirklich atemberaubend. Ab 2‘050müM und unterhalt des 325 km2 grossen Columbia Icefields wandern wir hoch zum Athabasca Glacier. Leider ist auch dieser Gletscher in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, wie die Tafeln mit den Jahreszahlen angeben. Imposant und spürbar aber ist die Kälteausstrahlung des nahen Eises trotzdem.
Es ist schon später Nachmittag und wir haben noch keine Unterkunft in der Touristen-Metropole Lake Louis. Trotzdem, den Bow Lake muss man sich einfach anschauen! Wieder eine kleine Wanderung und wir geniessen die phantastische Aussicht auf diesen Bergsee inmitten einzigartiger Bergformationen.
In Lake Louise dann stehen wir in der Schlange vor dem Campground-Eingang. Wieder mal Glück gehabt: Auf dem Zeltplatz sind noch Sites frei! Übrigens ein komfortabler Platz mit zentralen Duschen und Spül-Toiletten – was will man mehr! Einzig die extrem nahen Geleise sind bei leichtem Schlaf etwas ungeeignet:( In dieser Gegend ist die Bären-Population übrigens dermassen hoch, dass die Campgrounds mit Elektrozäunen geschützt werden müssen und fast alle Picknickplätze gesperrt sind. Auch mit brunftigen Wapiti-Hirschen ist keineswegs zu spassen.
Morgens fahren wir erst mal zum Moraine Lake, einem wirklichen Juwel unter den Bergseen hier. Er leuchtet in Farbtönen von türkisblau bis petrolgrün. Bewaffnet mit Bärenspray spazieren wir entlang des Ufers bis ans Nordende, aber so wirklich wohl ist einem nicht dabei. Von hier starten viele Wege auf die umliegenden Berge und Pässe, allerdings wird nachdrücklich gewarnt, in mindestens Vierergruppen zu wandern. Die Leute halten sich ausnahmslos daran und tun sich an den Trailheads mit anderen Wanderern zusammen. Bären-Warntafeln überall!
Lake Louise: Meistbesuchter Bergsee der Welt und Mekka für Massentourismus. Ein protziges Hotel und Gewusel von schnatternden Touris lassen keinen Spass aufkommen. Die Aussicht zwar auch nicht übel, aber nach zehn Minuten ergreifen wir die Flucht.
Nach Banff nehmen wir den alten Bow Valley Parkway – viel weniger befahren und dadurch kein Stress. Mehrere Aussichtspunkte lohnen einen Halt. Im Johnston Canyon wandern wir bis zu den Lower Falls und wenig später finden wir einen herrlichen Ort, um von den kliffartigen Castle Mountains tolle Fotos zu schiessen. Keine Eile heute, denn in Banff haben wir auf dem Tunnel Mountain Campground bereits einen Platz reserviert. Wie sich am Eingang zeigt, war das weise Voraussicht!
Am nächsten Tag verschwindet die Sonne bereits am Mittag hinter dicken Wolken. Unternehmen muss man ja trotzdem was, und so gehen wir uns die Hoodoos (Sandsteinformationen) im Tal unten anschauen. Im Vergleich zum Bryce Canyon allerdings eine eher kümmerliche Ansammlung. Aber hier, im sehr mondänen und teuren Banff, wird wohl jeder Stein irgendwie vermarktet. Weiter zum grossen Minnewanka Lake und zum viel kleineren und idyllischen Johnson Lake, um welchen man in zwei Stunden wandern kann. Ermutigt durch unseren Bärenspray und Glöckchen am Rucksack machen wir uns auf den Weg. Eigentlich wollen wir ja schon Tiere sehen, irgendwie aber doch lieber nicht…
Kaum zurück auf dem Campground, setzt Regen ein. Wir suchen uns für den nächsten Tag eine längere Bergtour aus, und heute Abend gehen wir mal wieder essen – im Swiss Ticino Restaurant! Eine Gourmet-Fischvorspeise und – dem Wetter entsprechend – ein Fondue! Wie alles in Banff natürlich nicht ganz billig, aber wir haben mehr davon, als von kostspieligen Gletschertrips und Bootstouren. Bei der Rückfahrt zum Campground treffen wir auf eine Herde Wapiti-Hirsche. Trotz Dunkelheit und Regen sind die riesigen Tiere mit den majestätischen Geweihen gut zu sehen…und im Moment nicht aggressiv, denn die gehen auch auf Autos los.
Frühmorgens regnet es nach wie vor. Keine Bergtour heute! Leider hat uns die allzu optimistische Wetterprognose am Campground-Eingang dazu veranlasst, einen Tag zu verlängern – Ärgerrrr! Setzen wir uns halt bei Starbucks in eine Ecke – eine von zwei Möglichkeiten für Camper, hier Internetzugang zu kriegen. Unglaublich, was sich in bloss einer Woche an Mails angesammelt hat!
Nach Süden zum Kootenay National Park. Leider verbergen sich die Rocky Mountains nach wie vor hinter einer dichten Wolkendecke, und der Scenic Highway verkommt zur nassen Strasse. Während einer Regenpause statten wir dem weissen Marble Canyon einen Besuch ab. Die enge Kalkstein-Schlucht wurde durch die Erosionskräfte von Gletschern und Flüssen geschaffen und kann über einen Weg mit mehreren Brücken erkundet werden. Vor zehn Jahren hat ein Waldbrand während 40 Tagen gewütet und 12% des Baumbestandes im Park vernichtet – ein ganz schön gruseliger Anblick! Überraschung beim Ausgang: Eine Schwarzbärin mit zwei sehr kleinen Jungtieren. Erst beim dritten Anlauf schafft es die Mutter, ihre Kleinen durch den Fluss zu lotsen. Da könnte man stundenlang zuschauen!
Abends erreichen wir Radium Hot Springs. Nachdem wir beim Vorbeifahren die Menschen dicht gedrängt im Warmwasserpool gesehen haben, ist uns überhaupt nicht mehr nach bädele. Dafür gibt’s einen grosszügigen Campground, wo sich Dickhornschafe tummeln!
Erst in Fort Steele finden wir endlich einen Platz mit WiFi! Nicht, dass der Regen besonders arg gewesen ist, aber es ist höchste Zeit, die vielen nassen Frottiertücher und Kleider zu trocknen und den Mief aus dem Auto zu putzen.
Noch weiter südwärts zum Waterton Lakes National Park – wo die Berge auf die Prärie treffen. Ein prächtiger Herbsttag und eine Herde Maultierhirsche auf dem idyllisch gelegenen Waterton Townsite Campground. Nachmittags bleibt noch Zeit, den Red Rock Canyon mit seinen roten Felsformationen zu besuchen. Ob man entlang oder in der Schlucht wandert spielt keine Rolle, die Farben sind einfach unglaublich. An bester Lage in Waterton und exponiert den starken Winden ausgesetzt befindet sich das historische Prince of Wales-Hotel. Ohne die im Boden verankerten Stahlseile würde der Bau aus dem Jahr 1927 wohl längst nicht mehr stehen.
Lassen die uns wohl nochmals rein in die USA? Am kleinen Grenzübergang „Port of Chief Mountain“ versuchen wir unser Glück – und siehe da: Kein Problem! Die Officers sind sehr freundlich und nach kaum 20 Minuten stehen wir im Bundesstaat Montana. Und heute ist ausserdem 09/11 – diese Ironie wird uns erst später bewusst. Alle Reisemüdigkeit ist wie weggezaubert, wir schmieden wieder Pläne! Am frühen Nachmittag erreichen wir den Red Eagle Campground in St Mary, um während der nächsten Stunden über Landkarten und Reisebüchern zu brüten. Immer mehr Möglichkeiten eröffnen sich, es gibt noch sooo viel zu sehen!
Unternehmungslustig und beeindruckt von Montana und dem Glacier National Park wandern wir anderntags zu den Ptarmigan Falls in der Nähe des Many Glacier. Die Füsse im eiskalten Gebirgsbach baden, bis sie wehtun – das ist Leben! Auch hier geht übrigens niemand einen Schritt ohne Bärenspray! Die Tiere sehen wir allerdings gottlob nur auf der Hin- und Rückfahrt.
Ein weiteres Highlight des Parks ist die Fahrt auf dem Going-to-the-sun Highway. Die schmale Gebirgsstrasse führt durch eine grandiose Berglandschaft zum Logan-Pass auf über 2‘200müM, an Gletschern, Seen und Wildbächen entlang bis zum Parkausgang im Westen. Den kurzen Rest des Tages verbringen wir auf einem ruhigen Campground in West Glacier.
Montana ist so gross wie Deutschland und in erster Linie Prärieland. Anstelle der Bäume, Seen und Berge freuen wir uns über die unglaubliche Fersicht auf goldene, sanft gewellte Hügel, weit auseinanderliegende Farmen, Rinder und Pferde. Manche mögen’s langweilig finden, wir lieben es! Der KOA-Campground in Great Falls ist urgemütlich und ziemlich luxuriös – inkl. musikalische Unterhaltung abends. Ein gediegener Abschluss eines herrlichen Tages.
Die Interstate 15 führt ab hier dem Missouri River entlang und schlängelt sich über Hügelketten immer höher hinauf. Etwa 100km vor dem Nordeingang zum Yellowstone National Park – in Livingston – endet die Fahrt für heute am Yellowstone River erneut auf einem fast leeren KOA Campground.