Auf dem Gold Rush Campground in Dawson City lernen wir viele interessante Menschen kennen, z.B. Stainar, den Norweger! Er ist 71 und hat in diesem Jahr eine dreijährige Weltreise gestartet – alle Achtung! Und dann den Österreicher Herbert. Der Mann sucht eine Mitfahrgelegenheit nach Whitehorse, da sämtliche Busse bis am 22.8. ausgebucht sind. Obwohl wir bisher damit sehr zurückhaltend waren (nur den Koreaner Charlie hätten wir auf Tierra del Fuego gerne mitgenommen, sein Packvelo hat aber beim besten Willen nicht reingepasst), bieten wir ihm an, ein Stück seiner Weltreise mit uns fortzusetzen. Er ist 730km den Yukon River raufgepaddelt – auch alle Achtung! Viel Gepäck hat er ja wirklich nicht, und so kann er sich in unserer kleinen Wohnkabine gemütlich breit machen.
Der Silver Trail ist eine Nebenstrecke des Klondike Highway und führt über Mayo zur Beinahe-Geisterstadt Keno – da wollen wir hin. Im Sommer leben hier 30, im Winter 15 Personen. Die vielen Holzhäuser aus der Zeit des ergiebigen Silberabbaus (1909 bis zum Preiszerfall des Edelmetalls) sind hervorragend erhalten, und das liebe voll gestaltete Mining Museum gibt durch zahlreiche Exponate und Fotos Aufschluss über das damals harte Leben der Minenarbeiter und deren Familien. Zwischen 1945 und 1989 produzierte die nahe gelegene Mine bei der heutigen Geisterstadt Elsa 150 Millionen Unzen Silber (4,2 Tonnen), 490 Millionen Pfund Blei und 370 Millionen Pfund Zink. Sie war die grösste Silbermine Kanadas.
Es kündigt sich eines der berüchtigten Yukon-Gewitter an, da lassen wir die 10km Fahrt über die schlechte Piste bis zur Sign Post auf dem Keno Hill lieber bleiben. Auf dem Campground am Five Mile Lake finden wir ein wunderschönes Plätzchen, und Herbert erweist sich als sehr unterhaltsamer Reisegefährte. Die Geschichten über seine Weltreise – u.a. aus Vietnam – sind amüsant und spannend zugleich. Auch wir haben natürlich eine Menge zu berichten und machen ihm den Mund mit Ecuador wässrig. Bis spät in die Nacht hinein sitzen wir zusammen am Feuer und vergessen die Zeit.
Der Klondike Highway ist ansonsten nicht besonders abwechslungsreich, einzig die Five Finger Rapids – Stromschnellen am Yukon River – lohnen einen Stopp. Ankunft in Whitehorse ist am Samstag und wir erfahren, dass am Montag Discovery Day ist – ein lokaler Feiertag. Leider hat die Garage nicht auf unser Mail geantwortet und wir müssen eh bis Dienstag ausharren. Herbert lädt uns anderntags zu einem Bier ein, ehe er nach Vancouver abfliegt (Neid: Er reist in Kürze nach Hawaii).
Montag ist Besichtigungstour:
Als erstes die grösste hölzerne Fischleiter der Welt. Sie wurde bereits 1959 gebaut, um den Lachsen über den Schwatka Lake Damm den Weg stromaufwärts zu den Laichgründen zu ermöglichen. Durch eine Glasscheibe kann man wunderbar beobachten, wie die Fische dieses Hindernis überwinden.
Und als zweites der Sternwheeler SS Klondike II. Der mit 64m längste Yukon-Schaufelraddampfer versah von 1937 bis zur Fertigstellung des Klondike Hwy 1955 zwischen Whitehorse und Dawson City seinen Dienst und beförderte in erster Linie die wertvollen Erze aus Keno und in zweiter Linie Passagiere. Unglaubliche Mengen an Brennholz wurden benötigt, um die Dampfmaschine in Betrieb zu halten, so dass entlang der gesamten Strecke Holzlager angelegt werden mussten. Durch die Five Finger Rapids wurde das Schiff an ein Kabel gehakt, da das ruhigste Gewässer auch durch die engste Stelle führte. Aussichtsdeck und Dining Room waren extrem elegant, das Essen soll hervorragend gewesen sein. Die SS Klondike ist ein Stück Zeitgeschichte und kann gratis besichtigt werden.
Dienstagmorgen: Punkt 09:00 Uhr stehen wir bei John’s Auto Repair. Die haben zwar unser Mail nie beantwortet, nehmen sich aber sofort Zeit. Wir wollen einen Basic Service und die wichtigsten Kontrollen machen lassen. Seit Dawson hören wir ständig ein hässliches Geräusch – Metall auf Metall! Nachdem sich der Chef unters Auto gelegt hat, wirkt er etwas besorgt… Die Bremsbeläge verdienen ihren Namen nicht mehr resp. sehen ganz übel aus. Wir dürfen keinen Meter mehr als nötig rumfahren, um Schlimmeres zu verhindern. Er telefoniert eine Weile rum. Wir haben wieder mal Glück im Unglück: In Vancouver gibt es eine Land Rover-Garage, welche die passenden Ersatzteile an Lager hat. Diese werden per Eilpost mit dem Flugzeug angeliefert – frühestens am Donnerstag.
Zwangspause, aber immerhin bei Martin auf dem wunderschönen Caribou Campground! Jeder Schweizer Kanada-Tourist scheint hier Halt zu machen…Gespräche über den Hirschen in Grindelwald, Schwingfeste und andere Themen aus der Heimat, Handorgel-Klänge von Martin – wir fühlen wir uns fast schon wie daheim.
Über Nacht wird es Herbst, früher dunkel und wesentlich kühler. Bewölkt – zwar kein Regen, aber Null Chance, ein Nordlicht zu sehen. Am Donnerstag dann die ersehnte Nachricht der Werkstatt: Die neuen Bremsbeläge sind da! Erlösung nach zwei Rumhänge-Tagen! Die Arbeit ist schnell erledigt – und die Rechnung natürlich saftig:( Sich ärgern ist aber höchst ungesund und auch völlig zwecklos!
Nachdem wir ja den hohen Norden besuchen durften, sind wir neugierig, mehr über die Geschichte dieses Landesteils zu erfahren. Das Beringia Interpretive Center in Whitehorse ist perfekt dafür. Während der letzten Eiszeit, als die Erde beinahe zum Schneeball verkam, blieben ein Teil des heutigen Sibirien, Alaska und weite Teile Nordwestkanadas von den Gletschern unbedeckt. Zu jener Zeit waren Asien und Amerika über die Landbrücke „Beringia“ verbunden, und über diese wanderten vermutlich – zusammen mit vielen Tieren – die ersten Menschen in die neue Welt ein. Kolumbus in sowieso zweifelhaften Ehren – aber der Erste war er bei weitem nicht!
Seit Jahrzehnten finden Goldsucher mit ihren Hochdruck-Wasserschleudern immer wieder Überreste aus dieser Zeit. Unter anderem ein sehr gut erhaltenes Wollmammut-Baby, ein Yukon-Pferd und Jagdutensilien der indianischen Urahnen. Wir sind tief beeindruckt von den Ausmassen der Ur-Tiere, welche aufgrund von Skelettfunden in Lebensgrösse präsentiert werden können. Bären und Löwen überragten die heutigen Exemplare bei weitem.
Nach einer Woche wieder on the road! Die Strecke nach Watson Lake (mit 1‘600 Einwohnern drittgrösste Stadt im Yukon) ist weit an diesem verregneten Tag. Am frühen Abend – während einer regenfreien Phase – besuchen wir den Sign Post Forest. Eine Schilder-Sammlung aus aller Welt, wo sich bis heute jedermann verewigen kann. Was ein heimwehkranker Soldat während des Baus des Alaska Hwy begonnen hat, führten Strassenarbeiter, Lastwagenfahrer und natürlich Touristen fort. Stundenlang kann man zwischen 3 bis 4m hohen Pfosten mit tausenden von Schildern rumspazieren.
Für die Nordlichter ist das Wetter zurzeit zu schlecht. In Watson Lake gibt es wenigstens das Northern Lights Center, wo in einem imposanten Kuppelkino eindrückliche Filme zum Thema gezeigt werden (sofern man in den bequemen Liegesesseln nicht einschläft…).
Am 24. August verlassen wir mit ein wenig Wehmut den Yukon. Als Trostpflästerli kriegen wir auf der sonnigen Weiterfahrt in den Muncho Lake Provincial Park Unmengen an Tieren vor die Linse! Alle paar Kilometer stehen grasende Bisons neben der Strasse und als Dessert kriegen wir heute den ersten Schwarzbären serviert, der für ein Foto lange genug in Sichtweite bleibt. Und weiteres Glück: Eine Gruppe der ansonsten sehr scheuen Steinschafe posiert kurz direkt vor dem Wagen.
Vorwärts auf dem Alaska Hwy durch die nördlichen Rocky Mountains. Wir haben’s offensichtlich nicht so mit Bergen – es regnet pausenlos und es wird kalt und kälter! Den Tieren ist’s offensichtlich auch zu nass, denn ausser einer Elchkuh ist nichts zu sehen. Kein Campground wirkt sonderlich einladend bei „Land unter“ und schlammigen Rasenplätzen. So auch hier in Fort Nelson. Ein kleiner Trost: Die Hauptsaison ist vorbei, wir können uns ab jetzt die besten Sites aussuchen…und es gibt hier einen beheizten Saloon!
Wald, Wald und nochmals Wald sowie immer wieder Regen – mehr ist auf der 400km-Strecke nach Fort St John wirklich nicht. Nervig für uns, aber Regenfälle hat das extrem ausgedörrte Land bitter nötig. Anderntags entlang des Peace River zeigt sich eine völlig veränderte Landschaft. Herbstliches Gelb, riesige Anbauflächen, Nutztiere und eine phantastische Weitsicht. Idylle fast wie im Bauernhof-Kinderbüchlein von damals. Unterwegs macht einzig der kleine Ort Chetwynd mit seinen Kettensäge-Skulpturen auf sich aufmerksam.
Wir verlassen den John Hart Hwy und erreichen nach kurzer Fahrt den kleinen Ort McKenzie. Ausser einer Wanderung durch und rund ums Dorf unternehmen wir mal nichts. Ausruhen und Schlafen, was bei nun um 21:00 Uhr einsetzenden Dunkelheit immer leichter fällt. Mitten im Dorf ist übrigens die 175 Tonnen schwere und grösste Rodungsmaschine der Welt ausgestellt, welche bis 1984 in Betrieb war. Vieles wurde inzwischen wieder aufgeforstet, die Schäden sind aber nach wie vor deutlich sichtbar. Unglaublich, aber wahr: Die Plätze ohne Wasser/Strom des Campgrounds mitten im Dorf sind für die ersten drei Tage GRATIS, die sanitären Einrichtungen dürfen wir aber benutzen! Und DAS in British Columbia. Die Internetverbindung ist zwischen ziemlich gut und Null…Trotzdem schaffen wir es, in den Parks Jasper und Banff fünf Campingnächte zu reservieren. Das war letzte Gelegenheit, denn fast alles ist besetzt.
Die nächsten beiden Nächte verbringen wir in Prince George – bei strömendem Regen. Aber für Kleinreparaturen und Wäsche benötigt man ja nicht zwingend Sonnenschein. Dafür skypen wir mal wieder wie die Wilden mit Familie und Freunden – hat doch alles seine guten Seiten!
Am 31. August erreichen wir bei schönstem Wetter die Rocky Mountains. Ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns in den Nationalparks Jasper und Banff alles erwartet. Der Beaverview Campground liegt bei McBride inmitten eine herrlichen Bergwelt, und nächste Woche soll das Wetter hervorragend sein. Wir freuen uns riesig!