Nichts kommt an Yellowstone ran! In Cody, der Hochburg des Buffalo Bill-Kults, schalten wir erst mal einen Pausen- und Verarbeitungstag ein. Am zweiten Tag lockt dann doch das riesige Buffalo Bill Historical Center, welches einerseits natürlich für Buffalo Bill-Verehrer ein Mekka ist, andererseits aber auch viele weitere Exponate zeigt.
Buffalo Bill – William Cody – war schon zu seinen Lebzeiten eine Legende. Bereits in jungen Jahren arbeitete er als Zugführer, Pony-Express Reiter, Kutscher und später als Scout für die Union. Weniger ruhmreich ist, dass er auch an Feldzügen gegen Indianer und an unsinnigen, „erfolgreichen“ Büffeljagden beteiligt war. Wegen Letzterem eben Buffalo Bill. 1872 schloss er sich einer Theatergruppe an und gründete später seine eigene Buffalo Bill’s Wild West Show mit einem riesigen Tross von Mitwirkenden und Tieren, die ganz dem unrealistischen Stil der Veröffentlichungen amerikanischer Journalisten entsprach. Er feierte auch in Europa grosse Erfolge, erst das Kino-Zeitalter setzte seiner Laufbahn ein Ende.
In erster Linie begeistert uns die Indianer-Abteilung, welche eindrücklich Leben und Untergang der amerikanischen Ureinwohner darstellt. Die Sektion „Wildlife in the Plains“ ist ebenfalls interessant…und dann ist da noch die Ausstellung der über 24‘000 Feuerbüchsen aus der Zeit der ersten Siedler bis heute – allerdings nur für waffenverliebte von Interesse. Gezeigt werden auch ein paar Pistolen, welche in alten Wildwest-Filmen wie z.B. Bonanza Verwendung fanden.
Genug der Pause, weiter durch Wyoming nach Osten! Herrlich, diese Weitsicht über die Prärie. Die Strecke ist einsam, nur unterbrochen durch wenige Ansiedlungen mit 50 bis 5‘000 Einwohnern und den unvermeidlichen McDonalds- und Subway-Reklamen. Einzelne Ölpumpen, Viehweiden und Zuckerrüben-Anbau prägen die Landschaft. Nochmals hoch über den Powder River Pass auf 3‘000m und den Blick auf den 4‘000m hohen Bighorn Peak geniessen, ehe wir bald darauf am Tagesziel Buffalo ankommen.
In Gillette gibt’s endlich wieder richtiges Brot zu kaufen (Albertsons). Ganz zu schweigen von der enormen Weinauswahl – genau unsere Kragenweite! Nach weiteren Kilometern durch die Prärie erreichen wir bald die Region der Black Hills – tatsächlich irgendwie Schwarzwald. Der Devils Tower in Nordteil ist für Indianer noch heute ein mythischer Ort, während ihn Steven Spielberg in seinem Film „Begegnung der dritten Art“ schlicht zum UFO-Landeplatz umfunktioniert hat (wofür er definitiv zu klein wäre). Für eine kurze Wanderung rund um das National Monument reicht‘s, ehe Regen einsetzt. Abends klopft ein Deputy Sheriff an unsere Tür – was ist das denn? Aber er will bloss das Auto beaugapfeln und verabschiedet sich fröhlich nach endlosem Small Talk – bei strömendem Regen!
Weiter in den Bundesstaat South Dakota. Beim AAA in Spearfish decken wir uns mit Kartenmaterial ein und fahren anschliessend durch die Ski-Orte Deadwood und Lead mitten durch die Black Hills zum Mount Rushmore. Bei diesem herrlichen Wetter gibt’s gute Fotos…aber man muss wohl schon Ami sein, um hier sowas wie Ehrfurcht zu empfinden.
Das Mount Rushmore National Memorial besteht aus vier 18 Meter hohen Porträitköpfen der (aus damaliger Sicht) bedeutendsten und symbolträchtigsten US-Präsidenten: George Washington (1. US-Präsident), Thomas Jefferson (3.), Theodore Roosevelt (26.) und Abraham Lincoln (16.). Das Monument wurde durch John Gutzon Borglum – unterstützt von 400 Arbeitern – während 14 Sommern zwischen 1927 und 1941 in den Granit des Mount Rushmore gesprengt, gehauen und gemeisselt. Das Nationaldenkmal wird auch als Shrine of Democracy bezeichnet, die Lakota-Indianer betrachten das Monument hingegen als Entweihung ihres heiligen Berges.
Anderntags giesst es aus Kübeln – wir gehen unter die Erde! Im Süden liegt ein weiterer National Park: Wind Cave – mit 202 km erforschten Wegen eine der längsten Höhlen der Welt. Sie ist bekannt für die „Boxwork“ genannten Kalzium-Formationen, die sich wie Bienenwaben an den Wänden ausbreiten. Aber auch Kristalle und weitere sehr fragile Muster sind im Kunstlicht zu entdecken. Den Namen verdankt die Höhe den oft extrem starken Winden, die – je nach Druck – ein- oder ausströmen. An der Oberfläche ist eine der letzten Prärien erhalten geblieben, die eine natürliche Heimat für Bison, Wapiti-Hirsch, Gabelbock und Präriehund ist. Auch die fast ausgestorbenen Schwarzfussiltisse wurden und werden hier erfolgreich ausgewildert. Bei Schneeregen ist aber leider kaum etwas auszumachen.
Wir hauen ab in die Badlands, welche wir nach einem kurzen Zwischenstop in Wall mit seinem kuriosen Drug Mart erreichen (Minus eine Zahnfüllung…)! Seit vielen Wochen befinden wir uns nun erstmals wieder unter 1‘000müM. Die Temperatur ist bedeutend angenehmer, trotz des stetig brausenden Präriewindes. Der Badlands-Nationalpark besteht aus einem Typ von Verwitterungslandschaft, die für Landwirtschaft denkbar ungeeignet schien, daher der Name „schlechtes Land“. Wie Ruinen ragen Sandsteinformationen, Türmchen und Spitzen mitten aus der ansonsten flachen Prärie. Zwei Tage lang fahren wir hier herum und wandern was das Zeug hält. Es gibt Präriehunde, Bisons, Wildschafe und Fossilien – genau unser Ding!
Zeit, weiterzureisen! Kurz nach den Badlands wieder mal +1 Stunde Zeitumstellung, Central Time – das einzige Ereignis auf dieser Strecke! South Dakota ist weites Land, flach und dünn besiedelt. Selbst die ansonsten allgegenwärtigen Reklameschilder fehlen, es gibt kaum noch Attraktionen. Einzig die Überquerung des breiten Missouri River lohnt einen Halt. Es ist ungewöhnlich warm und entsprechend verschwitzt erreichen wir abends Siuox Falls, die grösste Stadt South Dakotas.
Nach zwei Nächten geht’s dann weiter ostwärts. Erst kurz tanken, wie immer: Grüne Zapfhähnen stehen in den USA für Diesel. Nichts Aufsehenerregendes in Minnesota: Kornfelder und Windräder soweit das Auge reicht. Nach exakt 134km nehmen wir die Ausfahrt zu einer Rest Area mit dem wunderschönen Namen „Clear Lake“. Der Motor geht aus, Beat kann den Wagen mit knapper Not noch passgenau auf einen Parkplatz rollen lassen. Nichts geht mehr…der Motor lässt sich nicht mehr starten. Typisch USA: Sofort wollen alle helfen. Dank der Unterstützung von Lastwagenfahrern und einem sehr netten Herrn steht unser Chateau 30 Minuten später auf einem Abschleppwagen – ein deprimierender Anblick. Wir erahnen ganz langsam die Ursache des Übels…Ein Blick auf die Tankstellenquittung von heute genügt: Wir haben Benzin eingefüllt! Gemäss Abschleppdienst passiert das hier öfter, da man an BP-Tankstellen Benzin mit grünen Zapfhähnen tankt! Eine Werkstatt im bloss 7km entfernten Jackson entleert und reinigt den Tank – wir sind ganz offensichtlich nicht die Ersten. Insgesamt viel Glück im Unglück: Immerhin standen wir auf einer Rest Area, hilfreiche Menschen und eine Garage, die sich sofort ans Werk machte. Nach rund vier Stunden und um $400 erleichtert ist der Schaden behoben. Noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den KOA Campground in der kleinen Ansiedlung Hayward in Wisconsin.
Nachts wütet ein starkes Gewitter über dem Gebiet, zwar nur wenig Regen, dafür aber hunderte von Blitzen. Erst morgens schüttet es dann aus Kübeln. Klitschnass vom Aufräumen machen wir uns an die Weiterfahrt. Es klart bald auf und wir geniessen die täglich farbenprächtiger werdende Herbstlandschaft. Letztmals überqueren wir den mächtigen Mississippi River – dann folgt die Millionenstadt Chicago, Illinois.
Wir haben uns für das Hilton am O’Hare Airport entschieden, denn es gibt 1. kaum günstige Hotels in Chicago, 2. sind die Parkplätze für ein Auto mit einer Höhe von 2.60m extrem dünn gesät und 3. haben wir von hier eine direkte Zugverbindung nach Downtown. Den 5. Oktober – unseren Hochzeitstag – verbringen wir mit einer Double Decker Tour und dem Besuch des Navy Piers. Es gibt unheimlich viel zu sehen, und das bei fast 30C°. Allerdings ist die Stadt – bedingt durch die überirdische Streckenführung der Bahn auf Eisenträgern nur wenige Meter über den Strassen – extrem laut. Ein Wolkenbruch macht abends jedes weitere Vorhaben zunichte. Im Andiamo-Restaurant des Hilton nehmen wir uns heute mal die Speisekarte vor, ohne erst die Preise zu studieren!
Der zweite Tag startet wesentlich kühler. Nochmals mit dem Zug 40 Minuten nach Chicago Downtown. Vom höchsten Gebäude der Stadt, dem Willis Tower, hat man eine wunderbare Rundumsicht auf die City – und umliegende Bundesstaaten. Es ist Sonntag, und erstaunlicherweise haben hier selbst die Schnellimbissbuden geschlossen. Unsere Suche nach einer Apéro-Bar endet erfolglos. Wie in Miami: Sonntags ist tote Hose angesagt! Selbstverständlich holen wir im Hilton alles nach, denn wir haben ja entsprechende Vorräte im Auto.
Am 7. Oktober geht’s dann weiter. Nach über einer Stunde Fahrt um die Aussenbezirke der Stadt gibt es noch immer Ausfahrten nach Chicago! Aber endlich ist es geschafft, weiter gen Osten. Kurze Zeit später wieder +1 Stunde Zeitumstellung. Jetzt beträgt die Differenz zur Schweiz bloss noch 6 Stunden! Auf der Interstate 80/90 – einer Maut-Strecke – donnern unsäglich viele Lastwagen in mörderischem Tempo. Das wird ganz schön stressig, auch bei vier Spuren! 260km später Ankunft im Amish-Country Middlebury, Indiana. Einkauf im Farmer Store: Hier gibt es nebst üblichen Parkplätzen genauso viele Stationen für die 1PS-Kutschen der Amish People. Sowohl ungewöhnlich wie auch faszinierend!
Auf der Weiterfahrt meiden wir den Toll-Highway und geniessen bei wolkenlosem Himmel die herrliche Herbstlandschaft in den Rottönen des Indian Summers. Beim AAA in Toledo decken wir uns mit dem restlichen Kartenmaterial ein und erreichen wenig später in Stony Ridge (Ohio) den Campground unserer Wahl.
Den einzigartigen Indian Summer im Nordosten des Kontinents verdanken wir den hier von Norden nach Süden verlaufenden Gebirgszügen. Die ungehindert einströmende Polarluft lässt die Nächte frostig werden, während die Tage klar und oft noch immer sehr warm sind. Die Pflanzen haben „Frühlingsgefühle“, dadurch zeigen sich die Blätter vieler Laubbäume erst in leuchtenden Rottönen, ehe sie verdorren und abfallen. Ein derartiges Farbspektrum ist in Europa nicht zu finden. (ähm…sehr einfach erklärt!)
Die vielen Kilometer entlang des Lake Erie durch Ohio – bei diesem phantastischen Herbstwetter rundum ein Genuss. Den halben Nachmittag relaxen wir dann auf dem wunderschönen KOA Campground in McKean im „Independence State“ Pennsylvania.
Im „Empire State“ New York riecht es förmlich nach Geld. Die unzähligen, direkt am Ufer liegenden Privatgrundstücke lassen keine Sicht auf den See zu. Dafür zieren tausende km2 Weinanbaugebiet die gesamte Strecke. An den Rebstöcken hängen bloss noch Eiswein-Trauben, während die Rebenblätter tiefrot zu leuchten beginnen. Wieder campieren wir auf einem KOA-Platz, denn auf diesen trifft man ausnahmslos tadellose sanitäre Einrichtungen sowie freien Internetzugang an. Wie ein kleiner Park mit Teichen und Bäumen wirkt der Campground auf Grand Island.
Nachdem wir am 11. Oktober erst die amerikanische Seite der Niagara Falls besuchen, verlassen wir anschliessend die USA. Dank des separaten Ausreiseschalters für Wohnmobile erreichen wir denn auch problemlos und zackig Kanada.
Bei unseren vergangenen Besuchen der Fälle war es bitterkalt, Schnee und Eis überall. Diesmal wolkenlos und herrlich warm. Sehr viel mehr Wasser als im Winter rauscht hier in die Tiefe. Die aufsteigende Gischt verhüllt Wolkenkratzer und lässt alles in weitem Umkreis triefend nass werden. Im Ort Niagara Falls verbringen wir unsere allerletzte Campingnacht.
Ehe wir endgültig die Strecke nach Toronto unter die Räder nehmen, erstehen wir bei der Winery „Inniskillin“ in Niagara on the Lake ein paar Grauburgunder und Merlot Cabernet (hier sieht’s aus wie im Piemont, einfach ohne Hügel). Dann noch 140 km durch dicht besiedeltes Gebiet auf stressigen Highways entlang des Lake Ontatio bis Toronto. Mit eigens montierten Kanada-Fähnchen und einem Blinklicht fahren wir am frühen Nachmittag vor Henrys und Millys Haus am Hurlingham Crescent. Freudige Begrüssung – endlich da! Hier werden wir einige Zeit verbringen, den Indian Summer geniessen und wohl auch den beginnenden Winter erleben. Allerdings mit den Vorzügen von festen Wänden, Türen und behaglich beheizten Räumen.
Die grosse Amerika-Reise ist tatsächlich schon Geschichte! Jetzt freuen wir uns auf daheim, unsere Familien und Freunde. Im Dezember werden wir wieder Heimatluft schnuppern…und selbstverständlich neue Pläne schmieden!
2 Responses to 22. September bis 12. Oktober 2013 Von Cody (Wyoming) bis Toronto (Ontario, Kanada)